Rot-Weiss Essen überwintert mit 22 Punkten aus 17 Spielen sechs Zähler über dem Strich. RWE ist in seine ersten Drittliga-Saison nach 14 Jahren voll im Soll.
Das findet auch Marcus Uhlig. RevierSport hat mit dem Vorstandsvorsitzenden des Traditionsklub aus Essen-Bergeborbeck gesprochen.
In einem zweiteiligen Interview spricht der 51-jährige RWE-Boss über das erfolgreiche RWE-Jahr 2022, die Fans, auch die Probleme mit einigen Anhängern, einen möglichen Stadionausbau, eventuelle Verstärkungen im Winter und die Zukunft von Rot-Weiss Essen.
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Marcus Uhlig, wie fällt Ihr Fazit für das Kalenderjahr 2022 aus RWE-Sicht aus?
Ich glaube, es überrascht niemanden, wenn ich ein aus RWE-Sicht sehr positives Fazit für 2022 ziehe. Wir haben im Mai den lang ersehnten Aufstieg geschafft und beenden das Kalenderjahr nach der Hinrunde in der 3. Liga mit 22 Punkten aus 17 Spielen. Außerdem haben wir unsere Trainingsanlage für die 1. Mannschaft am Stadion erfolgreich um- und ausgebaut, wir haben am NLZ die erste Phase des Um- und Ausbaus der Anlage eingeleitet und den Umzug inklusive personeller Erweiterung der RWE-Geschäftsstelle im Sommer realisieren können. Das sind alles echte Meilensteine, die wir geschafft haben. Die uns jetzt nicht dazu verleiten werden, dass wir uns ausruhen, aber zum Ende eines Jahres darf man dann auch mal kurz innehalten und voller Zufriedenheit auf das Geleistete zurückschauen. Aber fest steht auch: es geht auf dem Rasen und auch in der Geschäftsstelle quasi ohne große Pause weiter.
Hand aufs Herz: Um wie viele Jahre sind Sie in der Aufstiegssaison gealtert?Es hat mich zunächst einmal gefreut. Und natürlich auch ein bisschen überrascht. Das war ein sehr deutliches Zeichen von unserer Fangemeinde, so nach dem Motto: 'Kommt, durch diese Phase gehen wir gemeinsam, wir stehen hinter Euch – komme, was wolle'. Das war stark und hat definitiv dabei geholfen, den Bock irgendwann um- und in die richtige Richtung zu stoßen
Uhlig über die Fan- Unterstützung in der negativen Phase zu Saisonbeginn
Meine Haare sind jedenfalls mittlerweile vollständig grau (lacht). Im Ernst: Ich arbeite jetzt seit 20 Jahren im Fußball. Das war eigentlich durch die Bank eine intensive und stets Nerven aufreibende Zeit, so dass ich mir diese Frage schon lange nicht mehr stelle. Aber Fakt ist auch, dass die Aufstiegssaison und auch das Jahr davor, als wir am letzten Spieltag knapp an Dortmund II gescheitert waren, schon sehr speziell waren.
War es letztendlich für Sie persönlich das schönste Jahr als Vereins-Funktionär oder sind die Aufstiege mit Arminia Bielefeld da gleichzusetzen?
Der im Mai 2022 mit RWE war definitiv mein intensivster Aufstieg. Mit Arminia durfte ich zweimal den Aufstieg aus der dritten in die zweite Liga feiern, das war in beiden Fällen natürlich auch herausragend. Aber das hier mit RWE hat alles andere aus emotionaler Sicht noch mal getoppt und wird für mich immer etwas ganz Besonderes bleiben. Diese Intensität, die Wucht und diese in der ganzen Stadt ausgelöste Freude sind für mich auch nach wie vor nur schwer zu greifen.
RWE musste schnell merken, dass eine neue Liga eine neue Welt ist. Was ging in Ihnen vor, als Rot-Weiss an den ersten sechs Spieltagen sieglos blieb?
Ich neige weder in ergebnis-technisch besonders guten noch in eher schlechten Phasen zu Aktionismus oder zu emotionalen Ausbrüchen. Das war auch diesmal so, als wir sicherlich unbefriedigend in die Saison gestartet waren. Wir sind nach außen ruhig geblieben und intern haben wir in der richtigen personellen Konstellation eine detaillierte inhaltliche Analyse auf den Weg gebracht und aus meiner Sicht auch die richtigen Maßnahmen daraus abgeleitet.
Wie bewerten Sie den Ist-Zustand nach 17 Spieltagen?
Ordentlich, von mir aus auch sehr ordentlich. Das gilt für die Entwicklung einzelner Spieler und der Mannschaft im Ganzen. Und auch mit der Entwicklung und Performance im Team dahinter, Staff und Trainerteam, bin ich sehr zufrieden. Die Punktausbeute nach 17 Spielen ist ebenfalls in Ordnung, auch wenn sicherlich drei oder vier Punkte mehr drin waren. Wir haben jedoch gezeigt, dass wir konkurrenzfähig sind, und waren zuletzt auch sehr konstant. Das ist eine gute Basis.
Die Reaktionen der Fans fielen trotz Negativlauf positiv aus. Hat es Sie positiv überrascht, dass der Verein und die Mannschaft solch einen Kredit besitzen?
Es hat mich zunächst einmal gefreut. Und natürlich auch ein bisschen überrascht. Das war ein sehr deutliches Zeichen von unserer Fangemeinde, so nach dem Motto: 'Kommt, durch diese Phase gehen wir gemeinsam, wir stehen hinter Euch – komme, was wolle'. Das war stark und hat definitiv dabei geholfen, den Bock irgendwann um- und in die richtige Richtung zu stoßen.
Stichwort Fans: Es war nicht alles immer ruhig, was die RWE-Anhängerschaft in dieser Saison betrifft. Der Verein hat im Laufe der Hinrunde mit einer drastischen Maßnahme insgesamt 75 Hausverbote ausgesprochen. Wie bewerten Sie den Erfolg dieser Maßnahme mit ein paar Wochen Abstand?
Dazu ist ja schon sehr viel gesagt und geschrieben worden. Aus meiner Sicht sind in den Wochen und Monaten davor diverse Aktionen passiert, womit einfach bestimmte Grenzen überschritten wurden. Die Reaktion des Vereis war eine Art 'bis hierhin und nicht weiter!'. Niemand sollte so naiv sein und glauben, dass damit nun alle Probleme gelöst sind. Das ist mitnichten der Fall. Wichtig wird sein, dass wir zeitnah einen Weg finden, die Kommunikation mit der aktiven Fanszene wiederzubeleben. Und zwar belastbar! Den aktuellen Streit, wer dafür den ersten Schritt auf den anderen zugehen muss, halte ich für nicht zielführend. Wichtiger ist für mich, dass sich eine Sprecher-Gruppe finden wird, die mit einer Portion Kompromiss-Bereitschaft, mit Dialog-Wille und mit der Bereitschaft, zukünftig mehr Verantwortung zu übernehmen, in die Gespräche mit dem Verein geht. Alles andere wird sich zeigen.